«Super Mario Bros. Wonder» im Test: Das beste 2D-Mario aller Zeiten?
Über zehn Jahre lang mussten sich Fans auf ein neues 2D-Mario gedulden. Das Warten hat sich gelohnt. «Super Mario Bros. Wonder» gehört zu den besten Mario-Games überhaupt.
Skepsis. Das war das Gefühl, das ich gespürt habe, als Nintendo mit «Super Mario Bros. Wonder» ein neues 2D-Mario angekündigt hat. Das liegt vor allem an der «New Super Mario Bros.»-Reihe, die mich mit jedem weiteren Release mehr enttäuscht hat. Klar, das waren alles grundsolide 2D-Plattformer. Aber die Mario-Magie hat mir, abgesehen vom hervorragenden Erstling auf dem Nintendo DS, gefehlt.
Mittlerweile habe ich «Super Mario Bros. Wonder» komplett durchgespielt. Dafür habe ich ungefähr 15 Stunden gebraucht. Ich kann Entwarnung geben. Dieses verrückte Spiel hat nichts mit der braven und mitunter langweiligen Gameplay-Formel der Vorgänger zu tun.
So vertraut und doch komplett anders
Die Story in «Super Mario Bros. Wonder» ist, wie in jedem anderen Mario-Spiel, schnell erzählt. Mario und seine Freunde werden in das benachbarte Blumenkönigreich eingeladen. Dort werden sie von König Florian in Empfang genommen, der ihnen die Macht von sogenannten «Wunderblumen» vorführen will. Natürlich zerstört Bowser die Festivitäten und stiehlt die Blume für sich. Als er die Blume berührt, verwandelt er sich in ein fliegendes Schloss. Ja, richtig gelesen. Bowser ist jetzt ein Schloss.
Der liebevoll inszenierte Intro-Film etabliert schon früh ein Muster, das sich durch das ganze Spiel zieht. In «Super Mario Bros. Wonder» scheint auf den ersten Blick vieles vertraut – bis mich das Game mit einem unvorhergesehenen Twist konfrontiert und komplett überrascht.
So trumpft auch das Leveldesign mit einigen Überraschungen auf und bricht immer wieder mit heiligen Mario-Gesetzen. Als langjähriger Mario-Fan kippe ich fast aus dem Stuhl, als ich sehe, wie eine Piranha-Pflanze aus ihrer Röhre steigt und anfängt herumzulaufen. Oder als ich bemerke, dass ich einige Röhren im Spiel verschieben kann, um an geheime Levelabschnitte zu kommen. Auch die zahlreichen neuen Gegnertypen beeindrucken mich mit unkonventionellen Designs und unerwarteten Verhaltensmustern.
Grafisch überrascht mich das Game auch immer wieder. Die Level und Welten erinnern visuell auf den ersten Blick an «New Super Mario Bros». Sie wirken aber insgesamt viel dynamischer. Überall bewegt sich etwas. Die Spielwelt fühlt sich, bis auf ein paar detailarme Ausnahmen im späteren Spielverlauf, lebendig und liebevoll umgesetzt an. Auch die Charaktere hinterlassen mit ihren ausdrucksstarken Gesichtern einen lebhaften Eindruck. Sie glänzen zudem mit neuen Animationen und Effekten – falle ich ins Wasser, ist Mario für eine kurze Zeit sichtbar nass.
Soundtechnisch weiss das Game ebenfalls zu überzeugen. Viele Aktionen der Spielcharaktere und Gegner sind mit passenden Soundeffekten unterlegt, die den hervorragenden Gute-Laune-Soundtrack ergänzen. Besonders cool: In den Levels verstreut gibt es zahlreiche «Plauderblumen», die meine Aktionen mit schnippischen Kommentaren begleiten. Sogar mit echter Sprachausgabe! Die gesprächigen Pflanzen bringen eine neue Meta-Humorebene ins Spiel, die es so in Mario-Games nur selten gibt.
Einziger Wermutstropfen: Charles Martinet, der Original-Sprecher von Mario und Konsorten, ist bei diesem Spiel nicht mehr dabei. An seiner Stelle übernimmt der Newcomer Kevin Afghani. Hardcore-Mario-Fans werden den Unterschied in den Sprachfetzen von Mario und Luigi teils deutlich erkennen. Vor allem letzterer klingt nicht mehr so charismatisch wie früher. Schade. Aber vielleicht gewöhne ich mich ja noch an die neue Stimme.
Abwechslung pur
Ein weiteres Muster, das sich durch den gesamten Spielverlauf zieht, ist die hohe Dichte an verrückten Ideen. Sie machen das Spiel extrem abwechslungsreich. Das liegt vor allem an den anfangs erwähnten Wunderblumen. Diese sind in den Levels versteckt. Berührt Mario eine Wunderblume, bricht für kurze Zeit Anarchie und Chaos aus. Ich weiss nie, was mich erwartet. Wirklich nie.
Die Effekte der Blumen haben entweder einen Einfluss auf das Level oder sie rufen bei meinem Spielcharakter eine Verwandlung hervor. Bei ersterer Variante habe ich beispielsweise erlebt, wie ich plötzlich durch die Spielumgebung falle und mich in einem Skydiving-Minigame befinde. Oder wie aus heiterem Himmel eine wilde Büffelherde auftaucht, auf der ich durch das Level reite. Oder, eines meiner absoluten Highlights: Die Perspektive eines Levels wechselt plötzlich von der Seitenansicht in eine Top-Down-Perspektive.
Die Verwandlungen meines Spielcharakters sind ebenso verrückt. Ich kegle mich als überdimensionierte, stachelige Mario-Kugel durch ein Level. Ich schwebe als Ballon durch die Lüfte und den Weltraum. Und ich werde in einen Gumba verwandelt, der nicht springen kann und sich vor anderen Feinden verstecken muss. Das sind nur ein paar Beispiele aus dem schier unendlichen Repertoire an wilden Gameplay-Konzepten.
Die Wunderblumen-Effekte motivieren mich, die Levels mehrmals durchzuspielen. Nachdem ich ein Level mit Wunderblume beendet habe, will ich sofort wissen, wie sich das Level ohne das Aktivieren der Blume spielt. Überall gibt es versteckte Durchgänge, Items und neue Levelausgänge zu entdecken. Im Vergleich zu alten 2D-Marios habe ich in «Wonder» keinen Zeitdruck. Ich kann so viel oder so wenig Zeit in einem Level verbringen, wie ich möchte. Herrlich.
Elefanten-Power und Bohrer
Neben Klassikern wie der Feuerblume trumpft «Super Mario Bros. Wonder» mit neuen Power-Ups auf. Mario und seine Freunde können sich in Elefanten verwandeln, sich einen mächtigen Anzug mit Bohrer-Helm überziehen oder mit dem Seifen-Power-Up Seifenblasen verschiessen.
Alle drei Items geben mir im Kampf neue Möglichkeiten. Als Elefant spicke ich Feinde mit dem Rüssel weg – das sieht verdammt lustig aus. Mit dem Bohrer-Helm kann ich lästige Viecher mit einem Sprung von unten angreifen – ein echter Game-Changer. Und mit den Seifenblasen nehme ich Gegner gefangen und verwandle sie in Münzen.
Der Bohrer und das Seifenblasen-Power-Up eröffnen mir auch neue Möglichkeiten in der Fortbewegung. Mit ersterem vergrabe ich mich im Boden oder in der Decke und bewege mich frei hin und her. So greife ich Feinde aus dem Hinterhalt an und entdecke versteckte Passagen. Mit zweiterem kann ich Seifenblasen als temporäre Plattformen benutzen und auf ihnen herumhüpfen. Insgesamt finde ich alle drei Items sehr gelungen. Sie bringen neue Gameplay-Elemente ins Spiel, sind visuell spannend gestaltet und machen in der Bedienung Spass.
Die Abzeichen schöpfen ihr Potenzial nicht aus
Neben den klassischen Power-Ups gibt es neu auch «Abzeichen». Das sind Gameplay-Modifikatoren, die jeweils vor dem Start eines Levels, oder nach dem Ableben in einem Level, ausgerüstet werden können.
Insgesamt gibt es 24 Abzeichen. Einige davon haben einen Einfluss auf die Steuerung. Mit der «Fallschirmmütze» verlangsame ich beispielsweise meinen Fall und kann so meine Sprungreichweite erhöhen. Mit dem «Schwebe-Hochsprung» springe ich ein bisschen höher als sonst. Und mit dem «Rankenschuss» verwandelt sich Mario in Spider-Man und verschiesst grüne Ranken, mit denen er sich an Wänden entlanghangeln kann.
Neben diesen Gameplay-Modifikatoren gibt es auch passive Abzeichen. Mit diesen sammle ich beispielsweise mehr Münzen ein oder lasse mir visuelle Hinweise auf versteckte Geheimnisse geben. Und dann gibt es noch die «Expertenabzeichen» für alle Masochisten. Das sind teils komplett absurde Modifikatoren, die mir das Leben unnötig schwer machen. So kann ich mich unsichtbar machen oder mit dem «Jet-Antrieb» mit übermässig hoher Geschwindigkeit herumrennen.
Schade finde ich, dass ich die Abzeichen nicht miteinander kombinieren kann. Sehr lobenswert ist hingegen, dass die Gameplay-Modifikatoren unabhängig von den Power-Ups funktionieren. Werde ich von einem Feind getroffen, verliere ich das Power-Up, behalte aber das Abzeichen. Das erspart unnötigen Frust und motiviert mich, mehr Risiken bei der Erkundung der Level einzugehen.
Die Sache hat aber einen grossen Haken: Das Spiel motiviert mich nicht, mit den Abzeichen zu experimentieren. Die Levels sind so designt, dass es egal ist, welches Abzeichen ich ausgerüstet habe. Ich kann jedes Level mit jedem Abzeichen beenden und alle sammelbaren Gegenstände finden.
In der Mitte des Spiels habe ich ein so mächtiges Abzeichen gefunden, dass ich alle anderen bis zum Abspann komplett ignoriert habe. Das ist schade. Ich hätte mir gewünscht, dass ich mehr motiviert oder gar gezwungen werde, verschiedene Strategien und Abzeichen zu testen. So entfaltet sich das Potenzial dieses eigentlich cleveren Perk-Systems nie richtig. Auch unabhängig der Abzeichen hätte ich mir etwas mehr Gegenwehr vom Spiel gewünscht. «Super Mario Bros. Wonder» gehört zu den einfacheren «Mario»-Spielen.
Der Online-Modus ist erstaunlich gut
Eine der grössten Überraschungen in «Super Mario Bros. Wonder» ist für mich der ausgeklügelte Online-Modus. Aktiviere ich diesen, sehe ich «Geister» von Spielerinnen und Spieler aus der ganzen Welt in den Levels herumrennen und hüpfen. Diese Geister sind entweder zur selben Zeit wie ich am Spielen oder es handelt sich um aufgezeichnete Daten. Gross interagieren kann ich mit den Geistern nicht. Manchmal helfen sie mir aber indirekt, indem sie mir den Weg zu versteckten Items oder geheimen Levelausgängen zeigen.
Die Geister haben einen weiteren Vorteil. Sterbe ich, verwandle ich mich in ein «Phantom» und schwebe durch das Level. Berühre ich innerhalb von fünf Sekunden einen Geist eines Online-Mitspielers, verliere ich kein Leben und kann nahtlos weiterspielen.
Alternativ kann ich als Phantom auch einen Pappaufsteller berühren, den ein anderer Spieler oder Spielerin im Level aufgestellt hat. Auch ich kann diese Pappaufsteller platzieren und so anderen Online-Marios auf ihrem Abenteuer behilflich sein. Beim Aufstellen wähle ich aus verschiedenen Posen meiner Kartonfigur aus. So gebe ich anderen Mario-Fans indirekt Hinweise zu versteckten Geheimnissen. Das macht Laune und erinnert mich ein bisschen an «Dark Souls».
Einen Vorbehalt in Bezug auf den Online-Modus habe ich. In der Pre-Release-Phase waren nur wenige Geister unterwegs. Ich weiss noch nicht, ob die Online-Features mit zunehmender Spielerzahl etwas überwältigend oder gar nervig werden können. Zum Glück lässt sich der Online-Modus jederzeit abschalten.
Vier-Spieler-Multiplayer? Nein, danke
Den Vier-Spieler-Online-Modus habe ich nicht getestet. Dafür haben sich Michelle, Kevin, David und Flo bereit erklärt, ein paar Level im lokalen Mehrspieler-Modus mit mir zu zocken. Im Vergleich zu «New Super Mario Bros.» gibt es keine Kollisionen mehr. Ich kann meine Mitspieler also nicht mehr mit Sprüngen auf den Kopf nerven oder sie herunter schubsen.
Chaotisch ist das Ganze aber auch ohne Kollisionen. Zu chaotisch für mich. Immer wieder verlieren wir unsere Spielfiguren aus den Augen. Schwierigere Levels im späteren Spielverlauf sind mit vier Spielern fast unspielbar. Für mich bleibt der Mehrspieler-Modus lediglich ein netter Bonus, den ich vielleicht mal mit meiner kleinen Nichte spielen werde. Ich empfehle jedem Mario-Fan, «Wonder» zunächst im Alleingang – oder mit virtuellen Online-Geistern – durchzuspielen.
Fazit: Ein wunderbares Spiel
«Super Mario Bros. Wonder» ist eine Wundertüte voller verrückter Ideen und unvergesslicher Momente. Die Wunderblumen sorgen für unzählige Überraschungen, die neuen Power-Ups gehören zu den besten der Mario-Geschichte und der Online Modus überzeugt mit cleveren Funktionen. Auch grafisch macht das Spiel mit ausdrucksstarken Charakteren und dynamischen Spielumgebungen einen guten Eindruck.
Die Abzeichen sind eine coole Idee, die aber nicht konsequent umgesetzt wurde. Ich hoffe, dass Nintendo dieses spannende Konzept in künftigen Mario-Games weiter ausbaut. Das Spiel könnte insgesamt ein bisschen herausfordernder sein. Abgesehen von ein paar ultraschweren Levels bin ich (zu) einfach durch das Game gekommen. Das ist aber meckern auf hohem Niveau. Alles in allem ist «Super Mario Bros. Wonder» ein hervorragendes Spiel und reiht sich nahtlos in die Riege der besten 2D-Mario-Spiele ein. Für mich ist es sogar das beste 2D-Mario aller Zeiten.
«Super Mario Bros Wonder» ist ab dem 20. Oktober erhältlich für die Nintendo Switch. Das Spiel wurde mir zu Testzwecken von Nintendo zur Verfügung gestellt.
Titelbild: NintendoMeine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.