Kritik

«The Creator»: Endlich wieder ein richtig guter Science-Fiction-Film

Luca Fontana
26/9/2023

Nicht immer müssen dystopische Science-Fiction-Filme wie «The Matrix» aus «Simulacra and Simulation» zitieren, um gut zu sein. Manchmal reicht es auch, einfach nur Herz zu haben.

Eines vorweg: In diesem Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind.


Es ist ein Weilchen her, seit Regisseur Gareth Edwards zuletzt von sich hat hören lassen. 2010 machte er sich einen Namen mit dem bildgewaltigen «Monsters». 2014 doppelte er mit dem Hollywood-Remake von «Godzilla» nach. Und zwei Jahre danach sorgte er mit «Rogue One: A Star Wars Story» für den vielleicht besten Star-Wars-Kinofilm der Disney-Ära. Nichts mehr stand einer grossen Regie-Karriere im Weg. Doch dann wurde es trotzdem plötzlich lange ruhig um den Engländer.

Zu lange.

Denn «The Creator» ist nicht einfach nur Edwards langersehnte Rückkehr auf die Kinobühne. Kein seelenloses Remake. Sequel. Prequel. Oder die zigste Comic-Adaption. Stattdessen ist Edwards jüngstes Machwerk nichts Geringeres als eines der grossartigsten Sci-Fi-Spektakel der letzten Jahre. Eines, das seine ganz eigene Story erzählt. Ohne Vorlage. Das fühlt sich nicht nur frisch an, sondern ist auch bitter nötig. Gerade in der von Ideenlosigkeit geplagten heutigen Kinolandschaft.

Darum geht’s in «The Creator»

Maschinen. In der Zukunft baut sie die Menschheit mit einer derart weit fortgeschrittenen künstlichen Intelligenz, dass sie kaum noch von echten Menschen zu unterscheiden sind. Schliesslich sollen sie uns Alltagsaufgaben abnehmen, für die wir uns selbst zu schade sind. Das geht so lange gut, bis eines Tages fast ganz Los Angeles durch einen nuklearen Angriff der Maschinen zerstört wird. Die Rache dafür lässt nicht lange auf sich warten, als sich die Menschheit im Gegenzug aufmacht, die Maschinen mit einem vernichtenden globalen Krieg zu strafen.

Joshua (John David Washington), ein Ex-Spezialagent, der immer noch den Tod seiner Frau betrauert, wird beauftragt, sich nach Neu-Asien zu begeben. Dorthin, wo die Maschinen ihre letzte Bastion errichtet haben und wo «der Schöpfer» – der Anführer der Maschinen – eine Geheimwaffe gebaut haben soll. Eine, mit der die Maschinen nicht nur erneut zurückschlagen, sondern gleich die gesamte Menschheit vernichten könnten.

Joshua soll aber nicht nur den Schöpfer jagen und zur Strecke bringen, sondern dessen neue Waffe gleich mitzerstören. Eigentlich keine Aufgabe, die Joshuas Entschlossenheit ins Wanken bringen könnte. Aber dann stellt sich heraus, dass die Geheimwaffe «nur» eine KI in Form eines kleinen Kindes (Madeleine Yuna Voyles) ist. Eines, das ein gefährliches Geheimnis versteckt.

Das Spektakel in Wahnsinns-Bildern

Wenn ich von einem Spektakel rede, dann rede ich vor allem vom Spektakel der grossen Bilder. Dafür hatte Regisseur Edwards schon immer ein gutes Gespür. Vor allem in «Rogue One», wo sich Edwards die Hilfe des renommierten Kameramanns Greig Fraser dazu holte. Der wiederum ist unter anderem der Architekt hinter visuellen Hinguckern wie «Dune» und «The Batman». Filme, deren atemberaubenden Bildern sich kaum jemand entziehen kann.

«The Creator» bildet da keine Ausnahme. Manchmal meine ich, mich im dystopischen Albtraum eines «Blade Runner» zu befinden. Dann aber, wenn die futuristischen Maschinengewehre ihre tödliche Munition inmitten der Reisfelder Asiens abschiessen, während Hubschrauber tosend über die Köpfe unserer Helden brausen, wähne ich mich in «Apocalypse Now». Keine Sekunde vergeht, in der Edwards und Fraser meine Aufmerksamkeit verlieren. Dafür ist die Bildgewalt, die sie gefühlt in jeder einzelnen Einstellung abliefern, einfach viel zu fesselnd.

In «The Creator» würde ich am liebsten jede Einstellung einrahmen und aufhängen.
In «The Creator» würde ich am liebsten jede Einstellung einrahmen und aufhängen.
Quelle: Disney / 20th Century Cinema

Dem Film steht das unheimlich gut. Nicht nur in Panorama-Shots, welche die Szenerie etablieren. Oftmals auch mitten in der Action. Etwa, wenn die Nomad, im Grunde eine beinah stadtgrosse Drohne – die wichtigste Waffe der Menschheit im Kampf gegen die Maschinen – bedrohlich im Orbit des Planeten schwebt und von dort aus wie ein Falke ruhig und bedächtig ihre todgeweihte Beute umkreist.

Dann, immer noch vom Orbit aus, richtet sich eine bläuliche Laser-Zielvorrichtung auf das Ziel am Boden. So, dass nicht nur die Beute das tödliche Unheil kommen sieht. Sondern auch alle menschlichen Kämpfer, die sich kilometerweit im Umkreis befinden – und so oftmals zu Kollateralschaden degradiert werden. Militärisch oder taktisch macht das kaum Sinn. Ausser, die Menschen verfolgen tatsächlich eine Art Einschüchterungstaktik. Visuell gehören diese Szenen aber zum Beeindruckendsten, was das Sci-Fi-Action-Kino der letzten Jahre zu bieten hat.

Die Nomad ist wunderschön in Szene gesetzt. Und doch bedeutet sie für die Maschinen nichts als Schrecken und Zerstörung.
Die Nomad ist wunderschön in Szene gesetzt. Und doch bedeutet sie für die Maschinen nichts als Schrecken und Zerstörung.
Quelle: Disney / 20th Century Cinema

Zu verdanken ist das wohl auch dem Umstand, dass die Computereffekte im Film fertig wirken. Klingt banal, sowas zu sagen. Wer aber Marvels und DCs CGI-Exzess der letzten Jahre verfolgt hat, weiss, was ich meine. Schuld an den dortigen Schludereien will ich aber nicht den CGI-Artistinnen und -Artisten geben. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass Hollywoods Studiobosse gerne Kosten sparen, indem sie den Effekt-Firmen zwar immer mehr zu bearbeitende Einstellungen geben, aber gleichzeitig immer weniger Bearbeitungszeit – und noch weniger Lohn. Eine Rechnung, die längst nicht mehr aufgeht.

Nun, «The Creator» scheint nicht davon betroffen zu sein. Zumindest deutet das die Qualität der Spezialeffekte an. Gerade beim beeindruckend nahtlosen Übergang zwischen jenen Figuren, die Maschinen sind, die aber menschliche Züge und organische Gesichter verpasst bekommen haben. Eine Wucht. Immer wieder. Ach, ich könnte ewig weiter schwärmen.

Kaum Tiefe, aber viel Herz

Ein wenig hinter der visuellen Brillanz des Films bleibt dafür die Story, die Regisseur Gareth Edwards zusammen mit Chris Weitz geschrieben hat. Sie bietet nämlich kaum Tiefe. Kaum Grauzonen. Das interessiert Edwards in seinem Film nie wirklich. Stattdessen etabliert er ziemlich schnell, wer die Guten und die Bösen in seiner Geschichte sind. Uns nimmt er zwar so die Arbeit ab, zu entscheiden, welche Seite unsere Sympathien bekommt. Aber etwas mehr innere Konflikte hätten dem Film trotzdem nicht geschadet.

Vor allem, weil das Leitmotiv von «The Creator» nicht neu ist: der Krieg zwischen dem hochnäsigen Menschen und der Maschine, die sich gegen seinen Erbauer auflehnt. Nicht seit «Terminator» oder «The Matrix». Und die Frage, wo die Programmierung einer Künstlichen Intelligenz aufhört und wo ihre tatsächliche Empfindungsfähigkeit beginnt – sofern sie dazu überhaupt in der Lage ist – haben Filme wie «Blade Runner» oder «A.I. Artificial Intelligence» viel eindrücklicher beleuchtet.

«The Last Samurai»-, «Inception»- und «Godzilla»-Star Ken Watanabe spielt ebenfalls im Film mit.
«The Last Samurai»-, «Inception»- und «Godzilla»-Star Ken Watanabe spielt ebenfalls im Film mit.
Quelle: Disney / 20th Century Cinema

Und doch lässt mich «The Creator» nie kalt. Edwards pfeift zwar darauf, aus «Simulacra and Simulation» zu zitieren, wie es einst «The Matrix» tat. So kann er dem Mensch-gegen-KI-Genre keine augenöffnende neue Erkenntnisse bringen. Aber er ist verdammt gut darin, die bekannten Konflikte zu vermenschlichen. Den emotionalen Kern dahinter herauszuschälen und auf den Punkt zu bringen. Warum kämpfen wir? Warum lieben wir? Und was macht es mit uns, wenn wir unsere Menschlichkeit ablegen und beinahe selbst zu Maschinen werden, um genau diese zu bekämpfen?

Wie gesagt: Gänzlich neu sind Edwards Ansätze, zumindest ein wenig Gravitas in seine Story zu bringen, nicht. Aber Edwards setzt auf seine Figuren und beweist dabei die Cleverness, auf eine Schauspiel-Riege zu vertrauen, die nur wenig braucht, um das Maximum an Substanz aus seinem Drehbuch herauszuholen. Allen voran die beiden Protagonisten John David Washington und Newcomerin Madeleine Yuna Voyles, die das Kind spielt. Locker tragen sie den emotionalen Ballast auf ihren Schultern. Genauso, wie es einst Jean Reno und Natalie Portman in «Léon: Der Profi» taten.

Dass der Plot nicht allzu viel Tiefe hat, stört nicht. Denn dafür hat «The Creator» verdammt viel Herz.
Dass der Plot nicht allzu viel Tiefe hat, stört nicht. Denn dafür hat «The Creator» verdammt viel Herz.
Quelle: Disney / 20th Century Cinema

«Also... sind wir gleich. Wir können nicht in den Himmel kommen. Du, weil du nicht gut bist. Und ich bin kein Mensch», sagt das Kind einmal mit trauriger Logik im Film. Genau das ist es, was ich mit der Vermenschlichung der altbekannten Genre-Klischees meine.

Fazit: Ein Sci-Fi-Fest fürs Kino

Nein, «The Creator» erfindet das Genre keineswegs neu. Dass der Film trotzdem im Vorfeld geradezu mit Lob überschüttet wurde, kommt nicht von ungefähr. Vielleicht auch gerade weil er sich inhaltlich keine allzu anspruchsvollen philosophischen Kapriolen leistet. Edwards erzählt lieber eine tiefmenschliche Geschichte mit simpler Gut-Böse-Struktur – einfach vor dem hochaktuellen Hintergrund der immer einnehmenderen Künstlichen Intelligenz in unserer heutigen Gesellschaft.

Manche sagen, dass Madeleine Yuna Voyles für den Oscar berücksichtigt gehört. Kann ich nachvollziehen.
Manche sagen, dass Madeleine Yuna Voyles für den Oscar berücksichtigt gehört. Kann ich nachvollziehen.
Quelle: Disney / 20th Century Cinema

Dass sich Edwards dabei sichtlich von vielen Genre-Filmen inspirieren liess (um nicht «kopieren» zu sagen), stört nicht. Dafür fühlt sich die von ihm geschaffene Zukunft zu frisch an, um nicht geschätzt zu werden. Zu liebevoll und detailliert. Überhaupt: Das Geschehen mehrheitlich nach Thailand, Myanmar, Bangladesch oder sogar Tibet zu verlegen – so ganz genau verortet sich der Film nie –, ist nicht nur eine willkommene Abwechslung zu den üblichen westlichen Settings. Darin ist auch eine kleine, aber feine weltpolitische Botschaft versteckt.

Dazu kommen die schlichtweg atemberaubenden Bilder des Meisters der Cinematographie, Greig Fraser. Im Tandem mit Regisseur Gareth Edwards zaubert er locker die schönste Sci-Fi-Glanzvorstellung, die das Kino seit Jahren gesehen hat. Selbst schuld, wer sich das nicht im Kino anschauen geht – bevorzugt auf einer IMAX-Leinwand.


«The Creator» läuft ab dem 28. September 2023 im Kino. Laufzeit: 133 Minuten. Freigegeben ab 12 Jahren.

Titelfoto: Disney // 20th Century Cinema

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