Hintergrund

«The Mandalorian», Kapitel 19: Der Bekehrte

Luca Fontana
16/3/2023

Das neunzehnte Kapitel, «Der Bekehrte», beginnt und endet mit Din Djarin. Dazwischen gibt’s aber eine an «Andor» erinnernde Folge über den Wissenschaftler – und eine Verräterin.

Willkommen zur neuesten Folgenanalyse, wo wir die besten WTF-Momente und wichtigsten Easter Eggs besprechen. Eines vorweg: Das ist eine Folgenbesprechung. Mit Spoilern! Schau dir also zuerst «The Mandalorian – Chapter 19: The Convert» an, bevor du weiterliest.


Es war ein denkwürdiger Moment für Star-Wars-Fans, als sich am Ende der vergangenen Folge eines der ältesten mythischen Wesen zeigte, die es in der weit, weit entfernten Galaxis gibt: der Mythosaurier. Vor Tausenden von Jahren wurden die Bestien vom Grossen Mand’alor, dem Begründer des mandalorianischen Volkes und des Wegs des Mand'alor, gezähmt und geritten. Dann starben die gefürchteten Mythosaurier aus. Seitdem ziert ein Abbild ihres Schädels das ikonische Wappen der stolzen Mandalorianer.

  • Hintergrund

    «The Mandalorian», Kapitel 18: Die Minen von Mandalore

    von Luca Fontana

Dass Din Djarin und Bo-Katan Kryze in den Lebenden Wassern unterhalb der Minen Mandalores einem Mythosaurier begegnet sind, könnte Grosses bedeuten. Denn die alten Lieder, so alt wie die Äonen selbst, sagten bereits voraus, dass sich der Mythosaurier dereinst erheben und ein neues Zeitalter fürs mandalorianische Volk einläuten würde.

Nur: Wer wird das Volk anführen?

Der Mand’alor

Din erinnert sich nicht daran, nach seinem Sturz ins Wasser etwas darin gesehen zu haben. Und Bo-Katan, die Thronerbin des Hauses Kryze, will es ihm nicht sagen. Traut sie ihren eigenen Sinnen nicht? Schliesslich gelten Mythosaurier seit Tausenden von Jahren als ausgestorben. Oder fürchtet sie Din Djarins Konkurrenz um den Thron?

Die Sache ist die: Der Grosse Mand’alor war nicht nur eine geschichtsträchtige Figur und der erste Anführer ihres gemeinsamen Volkes. Sein Name wird auch als Titel an den jeweiligen Nachfolger, Oberhaupt und militärischen Anführer der Mandalorianer weitergegeben. Eine feste Erbschaftsfolge kennen die Mandalorianer allerdings nicht. Genauso wenig wie eine ununterbrochene Linie. Tatsächlich lebte das mandalorianische Volk oft Hunderte oder sogar Tausende von Jahren ohne einen Mand’alor. Warum auch sollten sie? Lange Zeit kannten die Mandalorianer weder hierarchische Strukturen, noch eine feste Regierung. Das Oberhaupt war nur dann nötig, wenn die weit in der Galaxis verstreuten Clans zusammengeführt und unter einem gemeinsamen Banner vereint werden mussten, um Bedrohungen zu begegnen oder selbst einen Krieg zu beginnen. So, wie einst der Grosse Mand’alor Krieg gegen die Jedi führte.

Wer wird in die Fussstapfen von Mand’alor, dem Grossen treten?
Wer wird in die Fussstapfen von Mand’alor, dem Grossen treten?
Quelle: Lucasfilm

Einige hundert Jahre später – lange nach den Kriegen gegen die Jedi – wurde der Titel des Mand’alor an Tarre Vizsla weitergegeben, der gleichzeitig auch der erste Mandalorianer war, der im Orden der Jedi aufgenommen wurde. Der Legende nach war er es, der das Darksaber schmiedete, ein von dunklen Energien erfülltes, schwarzes Schwert, das selbst den Lichtschwertern der Jedi standhält. Seitdem ist das Schicksal des Mand’alor eng mit dem des Darksabers verbunden: Wer das Darksaber trägt, trägt das Symbol der Macht Mand’alors und führt damit das Volk der Mandalorianer an. Und: Das Schwert kann nur im Zweikampf um Leben und Tod errungen werden. Solange Bo-Katan also Djarin – ihrem Waffenbruder – nicht in den Rücken fällt, werden ihr die anderen Mandalorianer nicht folgen.

Warum sich Bo-Katan als eigentlich bessere Anführerin sieht? Vor gar nicht allzu langer Zeit führten die Mandalorianer untereinander Krieg – auch bekannt als die Mandalorianischen Bürgerkriege. Auf der einen Seite standen die kriegerischen und konservativen Mandalorianer, die für eine strenge Interpretation des Wegs des Mand’alor plädierten. Auf der anderen Seite die pazifistischen Neuen Mandalorianer, angeführt vom Herrscherhaus Kryze. Sie waren es auch, die den Bürgerkrieg letzten Endes gewannen, hierarchische Strukturen errichteten und eine Regierung mit Erbschaftsfolge einsetzten. Unter dem Hause Kryze blühte das zerstreute mandalorianische Volk tatsächlich auf – bis es vom Imperium während der Grossen Säuberung beinahe restlos ausgelöscht wurde, weil es die Macht des Imperiums bedrohte. Die wenigen Überlebenden: Die Kinder der Watch, ein Teil des Clans, der immer noch für die alten Wege steht und zu Din Djarin gehört, und Bo-Katan Kryze, die letzte Nachfahrin des einstigen Herrscherhauses.

Für sie ist klar: Besässe sie das Darksaber, könnte sie die nunmehr verstreuten Mandalorianer erneut zusammenführen und aufblühen lassen. Das ist der Weg. Ihr Weg. Ihr Schicksal. Was sonst soll das Auftauchen des Mythosauriers bedeuten?

Lange bleibt Bo nicht, um über ihre Begegnung mit dem Ahnentier der Mandalorianer zu sinnieren. Zurück auf auf Kalevala, Heimatwelt des Herrscherhauses Kryze, kommt es zum offenen Kampf mit imperialen Abfangjägern und Bombern – und was für einem! Dogfights at its finest, packend inszeniert, zwischendurch Jubel-Momente, wenn Din Djarin nach einem Batman-Manöver einen TIE-Abfangjäger abschiesst. Nice! So mag ich «Star Wars» am liebsten.

Aber imperiale Verstärkung naht. Etwas geht da vor sich im Mandalore-System: Eine ganze Armada steht Din und Bo plötzlich gegenüber – mehr, als einem imperialen Warlord, der vor Jahren der Vernichtung durch die Rebellen-Allianz entkommen ist, normalerweise zur Verfügung stünde.

Sie müssen flüchten.

Der Wissenschaftler

Szenenwechsel: Coruscant, ein Stadtplanet. Einst war er der in allen möglichen Neon-Farben leuchtende Sitz der Republik aus den «Star Wars»-Prequels. Dann das Machtzentrum des bösen Galaktischen Imperiums, kalt, grau und freudlos, so, wie wir es zuletzt in der Serie «Andor» gesehen haben. Aber nach dem Sturz des Imperiums scheint sich die Stadt unter der Neuen Republik erholt zu haben.

Zumindest, wenn wir der oberen Einkommensschicht Glauben schenken. Mitten unter ihnen: der übergelaufene Imperiale Dr. Pershing. Das ist der Wissenschaftler, der schon mehrmals in «The Mandalorian» als Experte für Klon- und Gentechnologie betitelt worden ist. Zuletzt wurde er in «Chapter 16: The Rescue» von Din und dem republikanischen Marshal Cara Dune gefangen genommen. Jetzt scheint er sich in die Dienste der Neuen Republik gestellt zu haben, nachdem er im Re-Integrationsinstitut war und… Nun… Was man dort mit imperialen Kriegsgefangenen genau macht, sagt niemand. Vermutlich werden sie von der Gehirnwäsche des Imperiums befreit.

Das zumindest suggeriert Pershings Auftritt in jenem Dom, in dem Darth Sidious einst Anakin Skywalker von der Tragödie von Darth Plagueis dem Weisen erzählte.

So viele Freiheiten, wie sein gefeierter Auftritt suggeriert, geniesst Pershing aber keineswegs. Er ist jetzt nämlich Teil des Amnestie-Programms – dort kommen jene hin, die das Re-Integrationsinstitut «bestehen» und wieder in die galaktische Gesellschaft reintegriert werden sollen.

In den Amnestie-Unterkünften angekommen, begegnet er prompt einer alten Bekannten aus früheren imperialen Tagen: Elia Kane. Auch sie sahen wir zuletzt in «Chapter 16: The Rescue», nämlich als Kommunikationsoffizierin auf Moff Gideons Schiff. Gideon war der Bösewicht der vergangenen zwei Staffeln. Und unter seiner Aufsicht fand auch die Grosse Säuberung auf Mandalore statt, im Zuge dessen er das Darksaber an sich riss. Jedenfalls, bis er es im Zweikampf mit Din Djarin verlor.

Und Gideons Verbleib? Ein Überläufer im Amnestie-Zentrum spekuliert, dass er nach seiner Gefangennahme durch Cara Dune dem republikanischen Kriegstribunal entkam. Ein anderer hingegen, dass er bereits an einem Gedankenschinder hängt – dazu komme ich noch.

Die Verräterin

In den folgenden Szenen treibt Elia Kane ein perfides Spiel mit dem einstigen Wissenschaftler Pershing. Aktuell besteht sein Job darin, imperiale Bestände für die Neue Republik zu archivieren. Aber eigentlich würde er viel lieber seine Forschungen weiterführen. Nur darf er das nicht. «Die Ethik hinter der Klonwissenschaft ist… kompliziert», sagt er zu Kane, während sie eine Art Jahrmarkt auf Coruscant besuchen. Im Hintergrund übrigens stinkfrech: John Williams’ Thema des Widerstands aus «Star Wars: Episode VII: The Force Awakens».

Dass Pershing dabei tatsächlich gute Absichten verfolgt – man könnte mit seiner Forschung beispielsweise Organe klonen, um kranken Menschen zu helfen – glaube ich ihm sofort. Kane hingegen…

Ihr glaube ich kein Wort. Für mich ist offensichtlich, dass ihre Absichten nicht so koscher sind, wie sie vorgibt. Von wegen «Ich habe selber noch so Vieles gut zu machen.» Andererseits ist die Neue Republik auch nicht viel besser. Nach aussen gibt sie sich als milde, nachsichtige Wohltäterin. Schliesslich lässt sie Kriegsgefangene nicht einfach exekutieren – oder Schlimmeres. Stattdessen werden sie in die Gesellschaft reintegriert. So wie Pershing. Klingt ja gut.

Dr. Pershing in der täglichen Befragung durch einen Droiden.
Dr. Pershing in der täglichen Befragung durch einen Droiden.
Quelle: Disney / Lucasfilm

Aber warum kriegen alle Amnestie-Teilnehmende Nummern als Namen? Pershing etwa ist L52. Und wird nur mit L52 angesprochen, auch von anderen Amnestie-Kolleginnen und -Kollegen. Die Amnestie-Unterkünfte sind genauso kahl und grau wie das alte Coruscant unter dem Imperium. Und dann die täglichen Befragungen zu seinem Gemütszustand, was nicht wohlwollend, sondern überwachend wirkt. Geht’s nur mir so, oder erinnert das stark an die Befragung des Replikanten K aus «Blade Runner 2049»?

Zumindest sind es interessante Fragen, die diese Folge an dieser Stelle bei mir aufwirft. Was, wenn gute Staaten nur mildere Versionen böser Staaten sind? Was, wenn das eigentliche Übel die Entmenschlichung durch Bürokratie ist? Hat schon was von George Orwells «1984». Mag ich, dass wir sowas in «The Mandalorian» zu sehen kriegen. Sehr sogar. Mochte ich schon in «Andor» während Syril Karns Coruscant-Szenen.

Pershing jedenfalls gibt sich Kanes Geflüster letztlich hin: Zusammen brechen sie aus den Amnestie-Unterkünften aus, finden zu den Beseitigungslagern, wo alte imperiale Kriegsschriffe und Ausrüstungen verschrottet werden, und brechen ein. Kane hat Pershing den Floh ins Ohr gesetzt, von dort eine mobile Forschungsstation zu stehlen, damit er im Geheimen weiterforschen und der Neuen Republik seine guten Absichten beweisen kann. Aber Kane hat Pershing reingelegt: Kaum hat er die Ausrüstung, tauchen republikanische Sicherheitskräfte auf – offenbar von Kane alarmiert. Für die Neue Republik sieht’s jetzt so aus, als ob Pershing es war, der sie auf die schiefe Bahn führen wollte.

Warum sie das tat? Gute Frage. Und eine, die sich erst in kommenden Folgen beantworten lassen wird. Meine Theorie: Sie ist dem Imperium noch treu ergeben.

Der Mindflayer

Auftritt: Mindflayer. Der Gedankenschinder, der zuvor schon im Amnestie-Zentrum erwähnt wurde und jetzt erneut von Pershing. Der Mindflayer ist hier übrigens kein Monster aus «Stranger Things» oder «Dungeons and Dragons», sondern eine Folter-Maschine – auch wenn der Mon-Calamari-Offizier das verleugnet. Stattdessen nennt er den Mindflayer einen 6-0-2-Mitigator, mit dem man keine Gefangenen foltert, sondern «rehabilitiert». Ein Prozedere, das «erst kürzlich» genehmigt wurde. Deswegen kenne Pershing es noch nicht. Ja ne, ist klar.

Und ja: Als Pershing den Mon Calamari anschnauzt, er sei in eine Falle getappt, muss ich schmunzeln.

Apropos, falls du beim Mindflayer zuerst an Bor Gullet dachtest, ans gruselige Tentakel-Wesen aus «Rogue One: A Star Wars Story»: Jep, ich auch. Die Maschine funktioniert offenbar ähnlich. Das stellt die nunmehr Amnestie-Offizierin Kane unter Beweis: Als alle den Raum verlassen, manipuliert sie den Mindflayer, pardon, den 6-0-2-Mitigator. Pershings Gehirn wird daraufhin… vernichtet, schätze ich mal. Wie gesagt: Kanes Endgame ist nicht klar. Gutes führt sie aber definitiv nicht im Schilde. Und Pershings Geschichte endet wohl hier.

Der Weg

Zurück zu Din Djarin und Bo-Katan Kryze. Ihre Flucht führt sie zurück zum ersten Schauplatz in «Chapter 17: The Apostate»: der Höhle, in der sich die Waffenmeisterin und die vielleicht letzten wenigen Kinder der Watch seit ihrer Verbannung aus der Gesellschaft der Neuen Mandalorianer und der Grossen Säuberung verstecken. Din bringt eine Probe der Lebenden Wasser aus den Minen Mandalores mit und verdient sich so seine Rehabilitation.

Dann passiert etwas Aussergewöhnliches.

Die Waffenmeisterin stellt fest, dass Bo-Katan aus dem Hause Kryze ebenfalls in die Lebenden Wasser sprang, um Din Djarin zu retten. Seitdem hat sie ihren Helm nicht mehr abgenommen. Streng gesehen folgt sie damit bereits dem Weg des Mand'alor – und sei somit einer der ihren. Der Kinder der Watch. Ausgerechnet sie, Bo-Katan Kryze, die einst im Krieg auf der Gegenseite stand. Aber… This is the Way.

Was, wenn Bo-Katan Kryze gerade ihren ersten Schritt in eine neue Gruppe gemacht hat, die sie eines Tages anführen könnte? Eine Gruppe, die wachsen könnte. Die einst zerstreute Clans wieder unter einem gemeinsamen Banner zusammenführen könnte. Eine Gruppe, die bald zu einer kriegerischen Zivilisation heranwachsen könnte, grösser, stärker, mächtiger und gefürchteter denn je.

Ist es das, was der Mythosaurier in der vergangenen Folge bedeutete?


Wie hat euch der Start gefallen? Gibt’s noch Easter Eggs, die mir entgangen sind? Schreibt es in die Kommentare. Nächsten Mittwoch (spätestens Donnerstag) mache ich mit der Folgenbesprechung von «Chapter 20» weiter. Es bleibt spannend.

Titelfoto: Disney / Lucasfilm

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