Schon wieder!? Netflix will die Preise erhöhen – und niemand weiss, wieso
Die Zitrone ist noch nicht ausgepresst, denkt sich wohl die Netflix-Chef-Etage. Denn in den kommenden Monaten sollen die Abo-Preise erneut erhöht werden. Das lässt sich kaum rechtfertigen.
Update, 19. Oktober 08:06 Uhr: Wie Netflix im jüngsten Quartalsbericht bestätigt, sind erste Preiserhöhungen in den USA, in Frankreich und im Vereinigten Königreich beschlossene Sache – trotz Umsatz- und Abonnenten-Wachstum im dritten Quartal.
Ursprüngliche News vom 5. Oktober:
Kein Scherz: Gut informierte Quellen des renommierten Wall Street Journals berichten, dass Netflix die Preise in den nächsten Monaten erhöhen will – schon wieder. In der Schweiz geschah das zuletzt Anfang 2022. In Deutschland ein Jahr zuvor. In den USA vergangenes Jahr. Das Ende von Account Sharing im Jahr 2023 betraf hingegen die ganze Welt. Und die Einführung eines neuen Geschäftsmodells – dem Paid Account Sharing – bescherte Netflix jüngst Rekordzahlen bei den Abonnements.
Einen triftigen Anlass, die Preise erneut erhöhen zu wollen, gibt es also nicht. Trotzdem weiss ich jetzt schon, wie Netflix die Erhöhungen begründen wird. Nämlich mit steigenden Produktionskosten und der Notwendigkeit, in neue Inhalte zu investieren. Das übliche Blabla eben. Vielleicht findet der Streaming-Gigant sogar die Dreistigkeit, die Schuld dafür den Streikenden in Hollywood zu geben. Streich das. Ich wette sogar darauf. Nur zieht das nicht.
Könnten wirklich die Hollywood-Streiks schuld sein?
Bis vor kurzem streikten zwei der drei wichtigsten Gewerkschaften Hollywoods: die Autoren- und die Schauspielgilde. Vergangene Woche endete der Autorinnen- und Autorenstreik. Für die Autorenschaft sprangen unter anderem neue, verbesserte und vor allem verdiente Löhne heraus. Namentlich:
- Eine Erhöhung der bisherigen Mindestvergütung für High-Budget-Filme.
- Eine Beteiligung am Jahresumsatz der Streamingdienste.
Die Höhe der Umsatzbeteiligung steht dabei im Verhältnis zu den Zuschauerzahlen der jeweiligen Produktion. Diese muss der Streamingdienst zwar nicht öffentlich, aber zumindest der Autorengilde mitteilen. Die Gilde wiederum hat zu Beginn des Streiks vorgerechnet, dass ihre Forderungen Netflix nur etwas mehr als 0,2 Prozent seines Jahresumsatzes 2022 kosten würden. Konkret also 68 Millionen US-Dollar des 31,6-Milliarden-Jahresumsatzes.
Aktuell zählt Netflix 238 Millionen Abos. Würde der Streamingdienst die Forderungen der Autorenschaft 1:1 auf ihre Kundinnen und Kunden abwälzen, entspräche das einem Zuschlag von etwa 0,29 Rappen pro Abo – und pro Jahr. Medial würde es Netflix zwar bestimmt gelegen kommen, die Preiserhöhungen bequem auf die Streiks abzuwälzen. Faktisch würde sich das aber unmöglich untermauern lassen.
Eine Preiserhöhung, die niemand versteht
Um wieviel die Preise steigen werden, ist noch nicht durchgesickert. Und offiziell zu den Gerüchten geäussert hat sich der Streaming-Gigant noch nicht. In der Vergangenheit schlug der kalifornische Streaming-Gigant aber immer 1 bis 2 Dollar pro Monat auf. In der Schweiz sogar 2 bis 3 Franken pro Monat. Damit ist die Schweiz das teuerste Netflix-Land weltweit, zusammen mit Liechtenstein. Die Zeche schon wieder zu erhöhen, fände ich wahnwitzig.
Gemunkelt wird ohnehin, dass Netflix mit der Preiserhöhung noch wartet, bis auch der Schauspielerinnen- und Schauspielerstreik vorbei ist. Schliesslich lassen sich Preiserhöhungen in Zeiten, in denen Inhalte aufgrund der Streiks weniger statt mehr werden, nur schwer verklickern.
Dazu kommt, dass Netflix seit über 15 Jahren Gewinne macht. Im Jahr 2022 waren es 4,49 Milliarden US-Dollar. Zugegeben: Das war zwar der erste Gewinnrückgang der Firmengeschichte. Aber mit den neuen Abo-Modellen dürfte das Unternehmen dieses Jahr wieder besser dastehen. Und besser als sämtliche Konkurrenten, die aktuell nur tiefrote Zahlen schreiben, sowieso – allen voran Disney. Tatsächlich hat das Haus der Maus deutlich bessere Gründe für seine kommende (versteckte) Preiserhöhung.
Auf die Kommunikation von Netflix bin ich darum erst recht gespannt. Vor allem auf die Gehirngymnastik, die man in der Netflix-Chefetage betreiben wird, um eine halbwegs vernünftig klingende Rechtfertigung zu finden. Das Unternehmen scheint finanziell gefestigt. Die Forderungen der Gewerkschaften dürften kaum spürbare Umsatz- und Gewinneinbussen zur Folge haben. Neue Abo-Modelle wie das Paid Account Sharing sorgen jetzt schon für neue Einnahmequellen. Und Preiserhöhungen fanden in den letzten Jahren gerade erst statt.
Warum also schon wieder die Preise erhöhen? Ich weiss es nicht.
Titelbild: Luca FontanaAbenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»