Die externe SSD Kingston XS2000 ist schnell auf dem Papier, aber lahm in der Realität
Die XS2000 von Kingston hat bereits zwei Jahre auf dem Buckel. Im Test zeigt sich, dass sie nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist: Will ich viele Daten übertragen, schaltet sie innert Kürze vier Gänge runter.
Kürzlich haben Crucial und Samsung neue externe SSDs mit USB 3.2 Gen2x2 herausgebracht. Kingston ist ihnen zwei Jahre voraus – zumindest was den Standard anbelangt: Bereits seit 2021 ist die X2000 auf dem Markt. Da ich sie bei Erscheinen nicht getestet habe, dachte ich mir, ich hole das der Vollständigkeit halber nach. Leider sind meine Erfahrungen mit dem Teil nicht gut. Willst du nämlich grosse Datenmengen übertragen, musst du mit grossen Geschwindigkeitseinbussen rechnen.
Die Kingston XS2000 im Detail
Die XS2000 ist in den Speichergrössen 0,5, 1, 2 und 4 Terabyte (TB) verfügbar. Mit 69,5 × 32,6 × 13,5 Millimetern ist sie sehr kompakt und passt locker in die Hosentasche. Die SSD wiegt nur 29 Gramm. Etwas grösser und schwerer wird sie, wenn du die mitgelieferte Gummiummantelung um sie spannst – dafür auch etwas robuster. Sie ist zudem IP55 zertifiziert. Das heisst, sie bietet vollständigen Staub- und Berührungsschutz als auch Schutz gegen Strahlwasser.
Angeschlossen wird die SSD beidseitig per USB-C. Ein Adapter für USB-A gehört nicht zum Lieferumfangn. Insgesamt ist die Verarbeitung in Ordnung, aber die neueren Modelle von Samsung und Crucial wirken besser.
Als Controller kommt der SM2320 von Silicon Motion zum Einsatz. Dabei handelt es sich um einen Single-Chip-Controller. Dadurch ist kein Bridge-Chip zum Übersetzen des SATA-/NVMe-Protokolls in das USB-Protokoll mehr nötig. Externe SSDs werden so leichter und kompakter. Ein DRAM-Speicher fehlt. Der wäre vor allem für die Übertragung grösserer Datenmengen wichtig.
Beim 3D-NAND-Speicher setzt Kingston auf 96-Layer TLC von Micron. NAND ist eine nichtflüchtige Speichertechnologie, die keinen Strom benötigt, um Daten zu speichern. TLC steht für «Triple Level Cell». Pro Speicherzelle sind somit 3 Bit möglich – das ist die geläufigste Bauart. Die SSD bietet keine AES-Verschlüsselung, dafür fünf Jahre Herstellergarantie.
Die Transferraten betragen gemäss Hersteller 2000 Megabyte pro Sekunde (MB/s) beim Lesen und Schreiben. Wichtig: Um diese Geschwindigkeiten zu erreichen, brauchst du zwingend einen USB-3.2-Gen2x2-Anschluss an deinem Notebook oder PC. Obwohl Thunderbolt 3 oder 4 auf dem Papier schneller sind, sind mit ihnen nur Transferraten von bis zu 1000 MB/s möglich. Dies, weil USB 3.2 Gen2x2 über zwei Lanes überträgt und Thunderbolt 3 und 4 nur über eine.
Sequentielle Schreib- und Lesegeschwindigkeit im ATTO Disk Benchmark
Sequentiell abgelegte Daten sind in zusammenhängenden Blöcken abgelegt. Dank dem sequentiellen Lesen und Schreiben lässt sich abschätzen, wie schnell die SSD beim Zugriff auf grosse Multimedia-Dateien, beim Transkodieren von Videos oder beim Anschauen von Filmen ist. Hersteller geben gerne die sequentiellen Geschwindigkeiten an, da sie am höchsten sind.
Alle Tests mache ich auf meinem Testsystem mit folgenden Komponenten:
In folgender Grafik siehst du die Resultate im Vergleich mit bereits getesteten externen SSDs. Ich habe der Übersichtlichkeit halber nicht alle Ergebnisse in die Grafik integriert. Du siehst die maximal gemessenen Resultate.
Mit 1970 MB/s erreicht die XS2000 die angegebene maximale Lesegeschwindigkeit von 2000 MB/s nicht. Die ist bei fast allen SSDs so, da es sich um theoretische Angaben handelt, die nur unter optimalen Bedingungen erreicht werden. Gemessen an den anderen SSDs ist die Differenz von versprochener und tatsächlicher Leistung gut. Bei der angegebenen Schreibgeschwindigkeit von 2000 MB/s liegt sie mit 1750 MB/s jedoch weiter daneben. Die volle Lese- und Schreibgeschwindigkeit entfaltet die externe SSD erst ab ungefähr 256 Kilobyte (KB) Dateigrösse.
Im Vergleich mit den vier getesteten SSDs mit USB-3.2-Gen2-Standard, der SanDisk Extreme V2, Samsung T7 Touch, Kingston XS1000 und Crucial X9 Pro, verdoppelt sich die Lese- und Schreibgeschwindigkeit. Gegenüber der USB-3.2-Gen2x2-Konkurrenz fällt sie beim Schreiben etwas ab, beim Lesen ist sie gut positioniert.
Zufälliger Zugriff und mehr zur sequenziellen Geschwindigkeit
Während beim sequentiellen Lesen und Schreiben der MB/s-Wert zentral ist, sind es beim zufälligen Schreiben die Eingabe- bzw. Ausgabebefehle pro Sekunde (IOPS). Je höher die IOPS-Werte, desto schneller die SSD. Je kürzer die Antwortzeiten, desto schneller reagiert die SSD. Unter «zufälligem Lesen und Schreiben» sind Daten zu verstehen, die nicht in zusammenhängenden Speicherzellen abgelegt sind. Sie sind zufällig auf der SSD verteilt.
Beim Anvil’s Storage Utilities erzielt die XS2000 das zweitbeste Ergebnis. Dass solche Benchmarks aber nicht immer der Wahrheit letzter Schluss sind, zeigt mein abschliessender Test.
Praxistest: Übertragen von Dateien
Um die Leistung der SSD in realen Szenarien zu testen, kopiere ich verschiedene Dateien vom Systemlaufwerk auf die XS2000. Vorher formatiere ich die SSD im exFAT-Dateisystem und lasse sie eine halbe Stunde ruhen.
Als Erstes ist ein 101 GB grosser Dateiordner mit MP4, RAW-Fotos und einem Premiere-Pro-Projekt dran. Die XS2000 benötigt dafür 202 Sekunden. Das ist das zweitschlechteste Resultat aller SSDs in diesem Vergleich. Dabei beginnt die Kingston stark: Für die ersten 77 GB beträgt die Übertragungsrate 1050 MB/s. Danach bricht sie aber auf durchschnittlich 250 MB/s ein.
Üblicherweise würde ich diesen Einbruch auf den Single-Level-Cell-Modus (SLC-Modus) schieben. SSDs bedienen sich dessen, weil er schneller ist. Statt alle drei Level-Cell des TLC-NAND zu nutzen, beschreiben sie zuerst nur die erste. Erst wenn der Schreibvorgang fertig ist, transferieren sie die Daten im Hintergrund in die zwei weiteren. Da der SLC-Speicher aber deutlich grösser ist als die 101 GB Daten, die ich kopiere, kann es nicht daran liegen.
Ein weiterer Grund könnte in der Hitzeentwicklung liegen. Die XS2000 wird während der Übertragung bis zu 60 Grad Celsius heiss. Wird das externe Laufwerk nicht verwendet, zeigt mir die Software Crystal Disk Info 28 Grad Celsius an. Auch äusserlich wird die SSD warm, wie das Wärmebild zeigt.
Nach diesem ersten Test lasse ich die XS2000 eine halbe Stunde ruhen. In dieser Zeit sollte sie die Daten vom SLC-Modus transferiert haben. Ausserdem kann sie abkühlen, wenn die Übertragung abgeschlossen ist.
Beim zweiten Test kopiere ich einen knapp zehn GB grossen Dateiordner mit MTS-, MP4-, MP3-, MOV- und JPEG-Dateien sowie einem anderen Premiere-Projekt. Auch hier starte die XS2000 stark mit 980 MB/s. Dass die SSD am Anfang nicht ganz so schnell wie beim vorherigen Test ist, ist klar: Es handelt sich um mehr und kleinere Dateien, weshalb eher das zufällige als serielle Schreiben zum Tragen kommt. Aber bereits nach 4 GB geschriebener Daten bricht die Geschwindigkeit ein und beträgt für den Rest der Übertragung nur noch etwas mehr als 100 MB/s. So dauert es satte 40 Sekunden, bis alle Daten übertragen sind. Das ist Negativrekord im Vergleich zu den anderen SSDs in der Grafik.
Da die XS2000 bei diesem Test mit 45 Grad Celsius deutlich kühler bleibt, schliesse ich eine Drosselung aufgrund von Hitze aus. Auch der SLC-Modus kann nicht aufgebraucht sein, da es nur 10 GB zu schreibende Daten sind. Das schlechte Abschneiden muss also am fehlenden DRAM-Speicher liegen.
Der zufällige Zugriff kommt beim letzten Test noch mehr zum Tragen. Der knapp vier GB grosse Dateiordner beinhaltet mehr als 160 Fotos im RAW-Format. Die XS2000 startet deutlich langsamer als bei den anderen beiden Tests. Für knapp 3,5 GB beträgt die Übertragungsgeschwindigkeit durchschnittlich 450 MB/s. Danach fällt sie auf weniger als 100 MB/s. Auch hier habe ich die SSD vor dem Test eine halbe Stunde ruhen lassen.
Üblicherweise teste ich das Verhalten der SSD unter verschiedenen Füllständen bis zu 90 Prozent. In diesem Fall blase ich die Übung jedoch ab, als die SSD zu 250 GB gefüllt ist: Die XS2000 drosselt dann auf unter 100 MB/s bei der Übertragung des grössten Ordners.
Fazit: Lass die Finger von der XS2000, wenn du viele Daten schreiben willst
In den ersten Benchmarks dieses Tests sieht die Kingston XS2000 wie eine klare Empfehlung aus: Sie liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Konkurrenz. Auch bei der Ausstattung kann sie mit IP55-Zertifizierung und optionalem Fallschutz durch die Gummiummantelung überzeugen.
Beim Lesen ist die XS2000 durchaus in Ordnung. Willst du extern Spiele auf ihr ablegen, profitierst du vom schnellen USB 3.2 Gen2x2 – wenn dein Endgerät den Standard unterstützt. Bei den Schreibtests schwächelt die XS2000 hingegen. Nach nur wenigen geschriebenen Daten drosselt sie auf das Geschwindigkeitsniveau von HDDs. Da bringt auch das schnelle USB 3.2 Gen2x2 nichts.
Ich kann dir die XS2000 deshalb nur empfehlen, wenn du die auf ihr abgelegten Daten hauptsächlich lesen willst – und du Geduld beim Schreiben dieser Daten hast. Allen anderen lege ich eher die Crucial X10 Pro oder Samsung T9 ans Herz. Die kosten zwar mehr, können die versprochene Schreibgeschwindigkeiten aber auch über längere Dauer halten.
Titelbild: Kevin HoferTechnologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.